Studie: Relevanz von Nachhaltigkeit als Anlagekriterium nimmt ab
Im Rahmen des europäischen Grünen Deals soll die Finanzbranche dazu beitragen, Anlagegelder verstärkt in nachhaltige Investitionen umzulenken. Dazu legt die Offenlegungs-Verordnung fest, was eine „nachhaltige Investition“ ist, die EU-Taxonomie bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig gilt, Finanzberater sind verpflichtet, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden abzufragen. Nachhaltigkeit hat eine erhebliche politische Dimension bekommen.
Relevanz von Nachhaltigkeit nimmt ab
Der Frage, ob das alles zum gewünschten Ergebnis führt, ging das Deutsche Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung DIVA im Rahmen einer repräsentativen Umfrage nach. Bei rund 2.000 Personen wurde erhoben, wie groß das Interesse am Kriterium Nachhaltigkeit bei Anlageentscheidungen ist.
Die Relevanz nachhaltiger Investitionen nimmt im Zeitverlauf ab. Waren es im Sommer 2022 noch 40,6 %, sind es im Winter 2023/24 nur mehr 37,5 % der Befragten, die bei der Geldanlage auch an ESG-Kriterien denken. Umgekehrt spielt Nachhaltigkeit bei 62,5 % der Anleger explizit keine Rolle.
Nachhaltigkeit nur Modeerscheinung
Dazu Prof. Dr. Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direktor des DIVA: „Man muss klar konstatieren, dass politischer Wille und Verhalten der Bevölkerung nicht übereinstimmen. Bislang hat die Regulierung der Finanzbranche in Richtung Nachhaltigkeit bei den privaten Geldanlegern wenig bewirken können.“ Mittlerweile sieht eine Mehrheit der Befragten (50,9 % zu 46,8 % im Winter 2020/21) im Thema Nachhaltigkeit lediglich eine Modeerscheinung. Das mehr oder weniger politisch erzwungene Angebot nachhaltiger Geldanlagen und die gesetzliche Verpflichtung der Berater, den Kunden darauf ansprechen zu müssen, sind nicht die Hebel, mit denen sich private Ersparnisse lenken lassen, ergänzt Dr. Helge Lach, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Vermögensberater BVD.
Untermauert werden diese Aussagen durch die Tatsache, dass die meisten Menschen die Zusammenhänge sehr wohl verstehen. Denn 64,7 % der Befragten bestätigen, dass mit nachhaltigen Geldanlagen sehr wohl ein Beitrag für eine nachhaltigere Gesamtwirtschaft geleistet werden kann. Dieser Wert nimmt allerdings ebenfalls ab, im Winter 2020/21 waren es noch 70,5 %.
Sicherheit genießt oberste Priorität
Aufschlussreich sind die Antworten auf die Frage, welches Kriterium bei der Geldanlage höchste Priorität genießt. Aktuell ist für 44 % der Befragten die Sicherheit des Investments besonders wichtig, bei 30 % ist es die erzielbare Rendite, bei 17 % die Liquidität und bei nur 10 % der Aspekt Nachhaltigkeit. Die Hälfte der Befragten (49,9 %) geht dennoch davon aus, dass nachhaltige Anlagen langfristig eine höhere Rendite abwerfen können.
BDV-Vorsitzender Lach sieht unter anderem die Politik in der Pflicht: „Es ist seit Jahrzehnten bekannt, dass gerade die Deutschen, wenn es um ihre Ersparnisse geht, der Sicherheit hohe Priorität einräumen.“ Diese Vorliebe ist auch von den Österreichern bekannt. Im internationalen Vergleich ist der Anteil der Aktieninvestoren hierzulande gering (7 % der Gesamtbevölkerung, Quelle: statista.com).
Als ein Mittel, um diesen Trend umzukehren, werden „grüne“ Anleihen gesehen, die Kapital für zweckgebundene Nachhaltigkeitsprojekte zur Verfügung stellen. Für Green Bonds wären auch Lebensversicherungsgesellschaften Großkunden.
Dieser Artikel ist erstmal im Börsen-Kurier Nr. 18 vom 2. Mai 2024 erschienen.