Lebensmittel sind kostbar
Hundertausende Tonnen Lebensmittel landen in Österreich jedes Jahr im Restmüll bzw. der Biotonne, dem Komposthaufen oder der Kanalisation. Die meisten Lebensmittel werden in der Produktion (zum Beispiel der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie), im Handel, in der Gastronomie sowie in den Privathaushalten weggeworfen. Das schadet Klima und Umwelt, ist pure Verschwendung und kostet sinnlos Geld.
In der europäischen Union werden jedes Jahr etwa 88 Millionen Tonnen Nahrungsmittel weggeworfen. Das entspricht in etwa einem Drittel der für den menschlichen Verzehr bestimmten Nahrungsmittel. Weltweit sind es laut Schätzungen von Eurobarometer (aus dem Jahr 2012, ersichtlich auf der Internetseite des Europäischen Parlaments) sogar 1,3 Milliarden Tonnen, die verloren oder weggeworfen werden.
Lebensmittelverschwendung soll laut MUTTER ERDE, einer Initiative des Vereins „Umweltinitiative Wir für die Welt“ weltweit für 3,3 Gigatonnen CO2-Emissionen verantwortlich sein. Wäre Lebensmittelverschwendung ein Staat, wäre sie der drittgrößte CO2 Emittent der Welt nach den USA und China. Die Kosten der weltweiten Lebensmittelverschwendung werden mit 750 Milliarden US-Dollar jährlich beziffert, das entspricht beinahe dem Bruttoinlandprodukt der Schweiz.
Haushalte sind für 53 % verantwortlich
Ob es nun genau 53 Prozent sind, oder ob diese Schätzungen schon Jahre alt und vielleicht nicht mehr aktuell sind, ändert nichts an der Tatsache, dass Haushalte viel zu viele Lebensmittel wegwerfen. Woran liegt es, dass in der Kette von Anbau bis Verzehr dermaßen viele Lebensmittel im Müll landen?
- Konsumenten bevorzugen optisch schöne und makellose Lebensmittel. Was dem Schönheitsideal, das wir aus der Werbung kennen, wird weggeschmissen oder erst gar nicht geerntet, verfault also noch am Feld.
- Konsumenten schätzen volle Regale bis zum Ladenschluss. Auch zehn Minuten vor Ladenschuss wird beispielsweise noch Brot und Gebäck aufgebacken, das – wenn es in den letzten Minuten nicht verkauft wird – im Müll landet. Dazu die kleine Anekdote weiter unten.
- In Restaurants sind die Portionen vielfach zu groß, Reste werden kaum mit nach Hause genommen. Auch ist es nur mehr selten üblich, dass Speisen ausgehen. Und ein Catering-Buffet muss auch bis zum letzten Gast voll sein. Buffetreste müssen aber aus hygienischen Gründen entsorgt werden.
- Konsumenten lassen sich durch Rabatt- und „2 plus 1 gratis“-Aktionen sowie Großpackungen dazu verführen, mehr Lebensmittels zu kaufen als sie eigentlich brauchen bzw. essen oder verkochen können. Überschuss wird dann einfach weggeworfen. „War ja gratis, hat eh kein Geld gekostet“, wird dann oft das eigene Gewissen beruhigt.
- Konsumenten lagern Lebensmittel oft falsch, dabei steht auf jeder Lebensmittel-Etikette ein Lagerhinweis.
- Und schließlich, der Klassiker unter den Lebensmittel-Irrtümern: Konsumenten interpretieren das Mindesthaltbarkeitsdatum als Ablaufdatum, und meinen, dass „abgelaufene“ Lebensmittel ab diesem Datum ungenießbar sind. Das ist falsch! Es heißt MINDESTHALTBARKEITSdatum und nicht WEGWERFdatum.
Ich erinnere mich an die Zeiten, als meine Mutter in den 1980er Jahren eine Filiale einer großen Wiener Bäckereikette leitete. Brot, Gebäck und Mehlspeisen wurden früh morgens und vormittags geliefert. Direkt in der Filiale wurde nichts aufgebacken. Im Laufe des Tages leerten sich die Regale, manche Sorten Brot und Gebäck waren um 17:00 Uhr oder 17:30 Uhr bereits ausverkauft. Das wussten die Konsumenten damals – und akzeptierten es auch. Wer zehn Minuten vor 18:00 Uhr zum Bäcker ging, hatte nicht mehr die volle Auswahl und musste mit dem Vorlieb nehmen, das noch da war. Am Ende des Tages ausverkauftes Brot und Gebäck hieß gleichzeitig, dass es am nächsten Tag keine Retourware gab, die im Müll landet. Heutzutage wäre es für die meisten Konsumenten unvorstellbar, kurz vor 18:00 Uhr beim Bäcker oder 19:30 Uhr im Supermarkt vor leeren Regalen zu stehen.
Unbeantwortet bleibt bei den eingangs genannten Zahlen des Europäischen Parlaments übrigens, ob darin auch jene Lebensmittel enthalten sind, deren Überproduktion es nur gibt, weil sie aus dem EU-Agrarbudget mit Milliarden Euro gefördert wird. Getreide und Milch, die wir in Europa dank dieser hohen Förderungen billigst und zu viel erzeugen, werden zu Spotpreisen in ferne Kontinente exportiert, zum Beispiel nach Afrika. Diesem unrühmlichen Kapitel der EU-Agrar- und Exportpolitik widmen wir uns an anderer Stelle.
Sustainable Entrepreneur reduzieren Lebensmittelabfälle.
Quellen:
Europäisches Parlament, www.europarl.europa.eu, „Lebensmittelverschwendung in der EU, abgerufen am 30. September 2021
DerStandard.at, „Wo überall Lebensmittel verschwendet werden und was getan werden kann“ vom 13. August 2021, abgerufen am 29. September 2021
Fachverband der Nahrungs- und Genussmittelindustrie Österreichs, www.oesterreich-isst-informiert.at, abgerufen am 28. September 2021
MUTTER ERDE, www.muttererde.at, Initiative des Vereins „Umweltinitiative Wir für die Welt“, Umweltinitiative Wir für die Welt, abgerufen am 29. September 2021