Brüssel-Straßburg und retour: das ewige Hin und Her des EU-Parlaments
Die EU-Kommission hat ihr Engagement für die Bewältigung klima- und umweltbedingter Herausforderungen bekräftigt und sich im Green Deal dazu bekannt, die Pariser Temperaturziele zu erreichen und bis 2050 zum ersten klimaeutralen Kontinent zu werden. Als Zwischenschritt sollen die Emission bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 gesenkt werden. Wie ernst nimmt die EU-Kommission diese Ziele selbst?
Die EU-Mitgliedstaaten haben sich im Jahr 1992 einstimmig darauf geeinigt, im EU-Vertrag die Sitze der EU-Organe dauerhaft festzulegen. Der offizielle Sitz und der Ort, an dem die meisten Plenartagungen stattfinden, ist seitdem Straßburg, die parlamentarischen Ausschüsse treten in Brüssel zusammen, und offizieller Sitz des Generalsekretariats, also der Parlamentsbediensteten, ist Luxemburg. Im Jahr 1997 wurde diese Regelung vollständig in den EU-Vertrag aufgenommen.
Seitdem pendeln die EU-Abgeordeneten alle vier Wochen (mit Ausnahme der Hochphase der COVID-19-Pandemie) zwischen Straßburg und Brüssel hin und her. Alle vier Wochen übersiedeln auch viele Parlamentsbedienstete und in Kisten verpackte Akten von Straßburg ins 430 Kilometer entfernte Brüssel. Und vier Wochen später wieder retour. Hin und her, jahrein und jahraus. Das ist teuer, zeitaufwendig, klimaschädlich und daher schwer zu erklären.
Eine Studie des Europäischen Rechnungshofes beziffert dieser die Kosten für die Pendelei auf 109 Mio. Euro pro Jahr. Das EU-Parlament gibt zu, dass dieser Betrag „nicht unerheblich“ ist, beschwichtet aber gleichzeitig auch, dass es sich bei diesen 109 Mio. Euro nur 6 Prozent des Haushaltsplans des Parlaments oder 1 Prozent des Verwaltungshaushalts der EU oder gerade einmal 0,1 Prozent des gesamten EU-Haushalts handelt. Peanuts quasi.
Ein Ende der monatlichen Pendelei ist nicht in Sicht. Denn für das Besinnen auf einen Standort müssten die EU-Mitgliedstaaten die Verträge einstimmig ändern und national ratifizieren. Dabei spielt aber Frankreich nicht mit, dass seinen Standort Straßburg nicht aufgeben will. „Das steht nicht zur Debatte.“, sagte Nathalie Loiseau, als sie französische Europaministerin war, deutlich. Und wenn, dann – typisch politischer Kuhhandel – müsse die EU als Ausgleich etwas anbieten.
Die sinnlose Pendelei wird also unverändert weitergehen. Politische Befindlichkeiten scheinen dem EU-Parlament doch wichtiger zu sein, als selbst einen Beitrag zum viel beschworenen Klima- und Umweltschutz zu leisten. Ganz abgesehen von den 109 Mio. Euro, die pro Jahr eingespart werden könnten, und einem gesteigerten Maß an Glaubwürdigkeit.
Quellen:
„Ein sauberer Planet für alle“, Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament, den europäischen Rat, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen und die europäische Investitionsbank vom 28. November 2018
„Europas Green Deal“, Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament, den europäischen Rat, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 11. Dezember 2019
„Fit für 55“, Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 14. Juli 2021 „Fit für 55“: auf dem Weg zur Klimaneutralität – Umsetzung des EU‑Klimaziels für 2030
Europäisches Parlament, www.europarl.europa.eu, „Warum zieht das Parlament zwischen Brüssel und Straßburg hin und her?“, abgerufen am 28. Oktober 2021
Norddeutscher Rundfunk, www.tagesschau.de, „Das pendelnde Parlament“, Beitrag vom 11. Mai 2019, abgerufen am 28. Oktober 2021